Ein Klärwärter auf dem Weg nach Vietnam
Der Hinweis fuer alle <Juristen>.
Dieser Bericht ist frei erfunden und entspringt meiner Fantasie. Sollten Namen, Orte, Personen oder Begebenheiten sich gleichen ist dies rein zufällig und unabsichtlich.
Gedanken und der Weg zur Entscheidung
Beruflich in eine Sackgasse geraten, langweilt mich der Alltag.
Der tägliche Streit der Kinder über Nichtigkeiten zerfrisst die Nerven von uns Eltern.
Unser Sohn Niclas entwickelt sich schulisch ganz gut, lehnt sich aber gegen jegliche Mehrarbeit oder gar freiwilliges Lernen auf.
Sein Essverhalten besteht aus Verweigerung: - jeglicher normaler Kost.
Lediglich die hölländischen Nationalgerichte finden großen Anklang bei Ihm. (Frikandell, Pommes, usw.)
Swetlana hat vor Niclas Geburt ihr Abitur am Abendgymnasium nachgeholt. Quasi von der letzten Prüfung ist sie direkt in den Kreissaal gefahren.
Seither macht sie seit 8 Jahren die Betreuung der Kinder und den Haushalt. Neben dieser anstrengenden Aufgabe ändert/ näht sie des Nachts Kleider für Ihren Arbeitgeber (MIT Steuerkarte!).
Als Dankbarkeit beschimpfen die Kinder (sich nicht nur gegenseitig) sonder auch sie.
Da sie nun mal die Zwerge zu den Hausaufgaben motivieren muss.
Ihre eigene Ausbildung/ Studium oder Rentenanwartschaften gehen dabei völlig verloren.
An diesem Punkt angelangt, begann ich mich zu bewerben.
Nach einer Reihe Vorstellungsgespräche in den unterschiedlichsten Gegenden, mit vielfältigen Erfahrungen, wuchs der Frust immer weiter an.
Das Passende war einfach nicht zu finden. Bei den meisten Jobs stimmte das Geld nicht, oder mir gefielen die Vorgesetzten nicht. Wenn es bei mir stimmte dann kam mir eine Quote dazwischen…
Seit langem beobachtete ich den Arbeitsmarkt für einen humanitären Auslandeinsatz.
Hier bekommt man allerdings oft die Antwort: „Ohne Erfahrung können wir Sie nicht mit dieser schweren Aufgabe betreuen“.
So z.B. die Antwort der Welthungerhilfe zu einem humanitären Einsatz in Haiti.
Ich sitze hier in Deutschland mit meiner hochqualifizierten Ausbildung, dem Kown How und der Bereitschaft zur Hilfe, aber die Organisatoren können einen (zu Recht) nicht beauftragen, da die zu erwartenden Belastungen für Anfänger zu hoch sind.
Ganz ähnliche Erfahrungen machten wir bei der GTZ für einen Einsatz in Äthiopien. (Ohne Erfahrung?!- dann lieber nicht).
Dann die Anzeige des DED. Es wird ein Ausbilder für Abwasser/ Kanalnetze in Hanoi, Vietnam gesucht.
So bewarb ich mich, mit der Rücksprache meiner Frau, bei der GIZ.
Es verging eine gewisse Zeit, dann die Mail aus Bonn:
"Wir bitten Sie zu einem Vorstellungsgespräch".
Bei diesem Gespräch wurde eine Verbindung per Skype mit den Sachbearbeitern in Hanoi hergestellt. Nach ein paar Fragen und einem Wissenstest stand fest, ich komme für die Anstellung in Frage.
Nun stand die ärztliche Prüfung an. Da ich seit langem erhöhte Werte habe, gab es ein gewisses Restrisiko.
Richtig: bei der G35 Untersuchung stellte sich tatsächlich heraus, ich habe erhöhte Blutzuckerwerte!
Das heißt: Ich habe Diabetes 2.
Zusätzlich machten wir eine gründliche Beratung bei den verschiedenen Ärzten der Kinder mit, da wir hier ein absolutes K.O. Kriterium angesetzt haben.
Im Anschluss der langwidrigen Untersuchungsreihe stand klar fest, keine Bedenken!
Mittlerweile hatten wir Anfang Dezember.
Also die Werte per Post zur GiZ-EH. Wie es inzwischen heißt. (Vorher DED)
Die Werte wurden von den Fachmedizinern diskutiert, was uns eine weitere Reise nach Bonn bescherte.
Am ersten Ferientag vor Weihnachten dackelte die ganze Familie per <Schöner Tag Ticket> nach Bonn. (Unser Passat bekam inzwischen eine neue Lichtmaschine (850 Euro)).
Bei der GIZ wurden wir freundlich befragt und getestet. Nach dem Vorliegen der Befunde konnte mir die Tropentauglichkeit bestätigt werden!
Jetzt fehlten immer noch Untersuchungen (?) von Frau und Kindern. Die bisherigen Befunde reichen nicht aus, also auf in die nächste Runde.
Die G35 bei Swetlana durchlief problemlos, ebenso die Bestätigung bei den Kindern. Haben wir doch alle Testergebnisse bereits vorliegen. Die ganzen Unterlagen zusammengetragen und per Post nach Bonn.
Eine, mit offiziellem Unterstützungsschreiben der Bonner Behörde, < Bitte um Freistellung > wurde von meinem damaligen Arbeitgeber abgelehnt.
Mit der Begründung, dass eine so wichtige Position nicht jahrelang unbesetzt bleiben kann.
Wir werden also ohne Aussicht auf Rückkehr in das „alte Leben“ unser Abenteuer starten.
Dieses ist insofern spannend, da wir in Emmerich ein Haus gekauft haben.
Hier lautet der Plan, einen zuverlässigen und sympathischen Mieter zu finden.
Es handelt sich um ein Reihenhaus neueren Baujahrs, welches in sehr attraktiver Wohnlage steht. So haben wir z.B eine Art Privatstraße bis vor unsere Garage.
Unsere unmittelbare Nachbarschaft ist zu einem Sportplatz, dem Hallenbad und Gymnasium gelegen.
Das Leben geht weiter auch ohne die GIZ.
Mitte November hatte ich ein interessantes Gespräch bei der AWS in Schaumburg. Dort traf ich auf einem vielbeschäftigten Mann.
Seineszeichens technischer Geschäftsführer der AWS.
Dieser sympathische Tausendsassa ließ mich kurz in die Welt des Mülls einblicken. Kettenrauchend erklärte er mir, dass die ausgeschriebene Position gar nicht existiert, aber er hätte da so ein paar andere Ideen mit mir. Ob ich denn Interesse hätte.
Dankbar bejahe ich dies freudestrahlend!
Nach diesem sehr erfreulichen Gespräch hörte ich leider lange Zeit nichts mehr aus Stadthagen.
In der Zwischenzeit haben wir unsere eigene Vorstellung zu Vietnam entwickelt.
Dann der Einbruch bei Swetlana.
Was soll sie dort, in einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse, dafür allein mit den Kindern.
Denn ich werde, meiner Aufgabe gemäß, sehr viel im Land unterwegs sein.
Zu unseren Bedingungen für die Ausreise fiel immer, dass jedes Familienmitglied mit der Situation umgehen kann und etwas positives von dieser Zeit erwartet.
Nach diesem Morgen konnten ich Vietnam nicht weiter vorantreiben.
Mit diesem Gedanken fuhr ich zur Arbeit.
Der Weg war scheinbar endlos.
In einer Art Trance verrichtete ich meine täglichen Dinge.
Hier wurde mir erst bewusst, wie weit ich mich bereits auf das Abenteuer eingelassen habe.
Später hat sich Swetlana mit dem Gedanken an die Ausreise angefreundet. Also treiben wir das Projekt Vietnam wieder voran.
An Weihnachten, in der Kirche, besuche ich den Kindergottesdienst der Grundschule.
Dieser wird alljährlich, vor den Ferien, gemeinsam von allen Klassen abgehalten.
Bei dem gemeinsamen Ave Maria steigen mir die Tränen in die Augen. Kann es denn richtig sein, die Kinder aus Ihrer Umgebung zu reißen?
Sie von Ihren Freunden trennen und in ein fremdes Land schicken?
Im Gespräch mit Freunden und Bekannten raten diese mir zu dem Abenteuer.
Die Kinder würden den Umzug schnell vergessen und die Vorteile überwiegen auf Seiten der Kinder.
Allein der Besuch der Internationalen Schule in Hanoi sollte für den weiteren Lebensweg der Kinder einen Meilenstein bedeuten.
Es wird Zeit mit den Kindern zu reden.
Von Niclas die erwartete Reaktion: gelangweilt.
Catharina ist es egal, solange wir sie nicht in ein Internat stecken. Catharinas lange ausgehandelte Bedingung ist, dass sie ein Haustier bekommt, nach dem Umzug.
Da wir bislang von einem Aufenthalt in Afrika ausgegangen sind, war diese Zusage leicht. Dort hätte ein Wachhund zur Grundausstattung gehört. In Vietnam eher zum Speiseplan…
Wir können Cathy auf ein paar Vögel runterhandeln.
Mit Niclas führe ich spät am Abend ein weiteres Gespräch. Ganz unerwartet trifft es ihn ja nun nicht.
Nur dass es halt nicht Afrika wird. Er wollte dort mit dem Jeep durch die Savanne preschen (nicht nur er).
Auch Niclas darf eine Bedingung stellen, welche mit der Ausreise verknüpft ist.
Niclas wünscht sich einen eigenen Computer.
Im Hinblick auf die Schule stelle ich Ihm die Erfüllung dieses Wunsches in Aussicht.
Swetlanas Bedingungen sind, dass sie Zeit für sich und die Kinder finden moechte.
Soweit so gut, -diese Hürde ist genommen und wir warten auf den Vertrag mit der GIZ.
Meine Hausaufgabe ist: die Finanzen zu organisieren.
In mühevoller Handarbeit erstelle ich seitenlange Excel Tabellen, in welchen unsere bisherigen, zukünftigen und vietnamesischen Ausgaben und Einkünfte aufgelistet werden.
Fazit: Sind wir erst mal da, können wir uns den Aufenthalt leisten. Der Weg dorthin allerdings ist schwer.
Jetzt passiert etwas Unerwartetes.
Die AWS aus Stadthagen meldet sich. Man bittet um ein weiteres Gespräch mit Besichtigungstermin.
Gern sage ich dies zu.
Am Vortag des Gesprächs fegt ein Blizzard durch Deutschland. Schneechaos auf den Straßen mit kilometerlangen Staus.
Fast schon sage ich den Termin ab, warte aber erst noch die weitere Entwicklung ab.
Richtig; zusammen mit dem Wetter beruhigt sich die Verkehrssituation.
In Stadthagen werde ich von beiden Geschäftsführern freundlich Empfangen.
Gemeinsam fahren wir nach Sachsenhagen, auf den dortigen Entsorgungspunkt, wo wir von der leitenden Ingenieurin empfangen werden.
Bei einem Rundgang erfahre ich eine Menge über die Abfallwirtschaft und die Verfahrensabläufe.
Ganz offen wird über Verbesserungen in der Verfahrenstechnik diskutiert.
Die Gespräche sind von Offenheit und gegenseitigem Respekt geprägt.
Das ist doch genau das was ich wollte.
Der Umgang mit Müll ist mir von Gütersloh bekannt. Dieser Bereich ist spannend und in ständiger Bewegung.
Im Anschluss an das erfreuliche Gespräch bietet man mir mündlich ein Beschäftigungsverhältnis an.
Ja!!!
Am liebsten würde ich sofort anfangen, muss aber doch erst mal zurück nach Emmerich.
Hier beginnen wir eine Diskussion.
Lebenstraum oder Traumjob?
Mich kann keiner mehr fragen, alle 5 Minuten wechsle ich meine Meinung!
Swetlana, welche Anfangs dem Projekt Vietnam skeptisch gegenüber stand, treibt es weiter voran ?!
Ein Leben in Wohlstand, in meiner Heimat, in der Nähe meiner alten Freunde und Geschwister, mit gesichertem Einkommen bis zur Rente.
Oder das Abenteuer Ausland.
Von diesem habe ich mein Leben lang geträumt.
Ich bin mir sicher, sollten wir jetzt kneifen, werde ich den Mut zu dieser Entscheidung nicht erneut aufbringen.
Außerdem würde die Behörde (DED/ GiZ) mich mit Sicherheit nicht mehr berücksichtigen.
Einerseits lockt die Heimat. Es ist ein absoluter Luxus in einer Stadt wie Bückeburg leben zu dürfen.
Das Stadtbild, das kulturelle Angebot und die Umgebung sprechen eindeutig für die Residenzstadt.
Dann würden die Kinder eine normale Schullaufbahn durchlaufen, wie alle anderen auch.
Wenn ich allein unterwegs bin, träume ich mich in die Situation Vietnam hinein. Was gibt es dort alles zu entdecken?
Welche Aufgaben kann ich dort übernehmen?
Werden meine Vorstellungen der Realität standhalten?
Wird sich mein Wunsch nach einer sinnvollen Aufgabe erfüllen?
Kann ich tatsächlich, durch meine Ausbildung, anderen Menschen bei der Verbesserung ihrer Lebenssituation helfen?
Wenn ich doch nur wüsste….
Da ich völlig hin und hergerissen bin, suche ich Rat bei Swetlana.
Ihr geht es nicht besser.
Da ist die Mutter, welche versucht ihre Schützlinge vor dem Bösen der Welt zu beschützen. (Vietnam: unbekannte Krankheiten, Insekten, Unfaelle und sonstige Gefahren).
Da ist die enttäuschte Erziehungsberechtigte, welche im täglichen Kampf mit den Kindern, erlebt, dass sie diesen zusehens verliert.
Da ist die junge Frau, welche hochintelligent ihre Zeit davonlaufen sieht.
Als Mutter ein Studium zu beginnen (oder eher zu beenden), ist unmöglich...
Es fällt schwer eine Absage nach Stadthagen zu schicken.
Meine gesamte berufliche Laufbahn habe ich auf eine solche Stelle in meiner Heimat gewartet.
Das berufliche Umfeld, bei einer 100 % Kreistochter mit Anerkennung der tariflichen Strukturen des Oeffentlichen Dienst, zu arbeiten.
Die persönlich überzeugenden Geschäftsführer.
Bei den beiden Herren stimmt "die Chemie".
Hier fühlt es sich „richtig“ an.
Das alles soll ich jetzt absagen, um einen unsicheren Traum zu verwirklichen?
Wir könnten vorerst in Emmerich wohnen bleiben.
Keine Verlustängste mehr.
Sollten wir nach Vietnam gehen, werden wir einen großen Teil unseres Besitzstandes aufgeben müssen.
Einfach um Kosten bei der Einlagerung zu sparen.
Und dass für 2 Jahre!
Weiter falle ich von dem einen Extrem in das andere.
Ich kann dies nicht allein entscheiden.
Da ist auch Niemand der uns diese Entscheidung abnehmen kann.
Allerdings muss die Entscheidung getroffen werden.
Also rufe ich unsere Kinder am Abend und schildere die Situation.
Ich versuche ihnen zu erklären, was es bedeutet, in Vietnam zu leben.
Gleichzeitig werbe ich für ihre Schule und das sie dort Englisch sprechen werden.
Unsere Catharina kam heute von ihrem Sport nach Hause und sagte mit Dackelblick: „Ich wünschte mir, dass ich etwas könnte, was kein anderer kann“.
Diese Vorlage greife ich natürlich in meiner Argumentation auf und schilderte den Kindern, dass sie in der Zeit in Vietnam, als auch danach tatsächlich etwas Besonderes sind.
In Vietnam wird es nicht viele europäische Kinder geben, dergleichen zurück in Deutschland. Dort werden sie durch ihre Erlebnisse von Dingen berichten können, welche ihre Mitschüler nie erleben werden.
Ich glaube tatsächlich daran.
Zudem habe ich hohe Hoffnungen in das asiatische/ internationale Ausbildungssystem.
Dies soll (nach Literaturangaben) von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägt sein. Beides kann ich, nach meinen Erfahrungen, von dem Deutschen Schulsystem nicht sagen.
Unsere Catharina hat mit ihren 7 Jahren bereits erste Erfahrungen mit Mobbing.
Ihre fürsorgliche Mutter legte ihr des morgens Salbe auf die entzündeten Lippen.
Dies sahen ihre "lieben" Mitschülerinnen, woraufhin Catharina ausgelacht wurde.
Das wäre soweit nicht schlimm, wenn nicht im Anschluss daran, ihren Freundinnen verboten wurde mit Ihr zu spielen.
Diese durften nur noch "heimlich" mit Ihr befreundet sein.
Dieses "Spiel" dauerte einige lange Wochen an.
Beide Kinder als auch Swetlana sprechen sich für den Aufenthalt in Vietnam aus.
Wir haben eine Entscheidung.
Emmerich am Rhein 20.04.2013
Oliver Stuckert
Oliver.stuckert@yahoo.de